Wie alles begann

Hoffnung in Zeiten des europäischen Umbruchs

Interview mit Wolfgang Klein, 1. Vorsitzender der Vereins

Herr Klein, was hat Sie und Ihre Mitstreiter 2003 dazu bewogen, diesen Verein zu gründen?

Europa hatte sich durch den Mauerfall und den Zusammenbruch der Sowjetunion sowie des sogenannten Kreml-Imperiums dramatisch verändert. Viele Staaten Osteuropas und ihre Bürger_innen drängten in die EU – das „gelobte Land”, sie sehnten sich nach Demokratie und Wohlstand. Einerseits stand die Osterweiterung der Europäischen Union an. Andererseits war in der alten, der westlichen EU unübersehbar, dass die klassische Erzählung „EU sorgt für Frieden und Demokratie” bei den Jüngeren als erledigt und langweilig galt. Uns hat damals die Frage umgetrieben: Wie kriegen wir die Hoffnungen der einen und die Lethargie der anderen unter einen Hut?

Ab 2005 entwarfen junge Schriftsteller_innen ihre Zukunftsvisionen für Europa, im Auftrag von Young Euro Connect. Wie haben Sie diese Projekte der Anfangsjahre erlebt?

Das war schon eine tolle Sache! Die bemerkenswerten Positionen der jungen Intellektuellen wurden abschließend von großartigen SchauspielerInnen vorgetragen, dann gingen die jungen AutorInnen gemeinsam auf Lesereisen, traten in deutschen Großstädten sowie europäischen Metropolen, etwa Paris und Warschau auf, lernten sich kennen, verstehen und mögen. Vor allem die Impulse, die von AutoreInnen der „neuen“ Mitgliedsstaaten kamen, fand ich aufregend.

In dieser Tradition steht auch die literarische Ideenwerkstatt Europa – Meine Heimat? Meine Zukunft? In welchem Kontext wurde das Schüler_innenprojekt entwickelt?

Im Sommer 2016 herrschte Krisenstimmung! Die Briten hatten gerade mit knapper Mehrheit für den Austritt ihres Landes aus der EU votiert. So etwas hatte es noch nie gegeben. War das das Ende des Traums von der europäischen Einigung? Mit meinem Freund und Kollegen Rolf-Dieter Krause, der wie ich jahrelang als TV-Korrespondent der ARD aus Brüssel berichtet hatte, entwickelten wir schließlich eine Idee: Lasst uns herausfinden, wie junge Menschen heute Europa sehen! Was wissen sie vom schwierigen Brüsseler Geschäft? Verbinden sie mit Europa irgendwelche Werte, oder steht es bloß seelenlose, aufgeblähte Bürokratie mit endlosem Gezänk über Geld und nationale Interessen?

Mit dieser Idee traten Sie zunächst an Berliner Schulen heran. Ergaben sich auch Herausforderungen?

Unser grobe Plan war: Formuliert doch mal eure Gedanken zum Thema in Essays, wir bringen das dann in die Öffentlichkeit. Aber das war schwieriger als gedacht! Denn im Gegensatz zu den längst vergangenen Schultagen von Klein und Krause haben Schüler_innen heutzutage wenig Zeit. Geradezu grotesk unsere Vorstellung, man könnte mit denen Nachmittage lang diskutieren und gemeinsam Themen und Texte entwickeln! Aber dann meldeten sich Lehrerinnen, die Spaß an der Idee und vor allem Unterrichtsformate hatten, mit denen sie sich verwirklichen ließ. Christine Hohmeyer macht am Eckener Gymnasium in Mariendorf einen Kursus für Journalistisches Schreiben, Esther Freymadl ist Musiklehrerin an der John F. Kenndy Schule in Zehlendorf und Dorit Beckmann lehrt Lyrik am Goethe Gymnasium in Wilmersdorf. Ihnen gilt unser großer Dank, solch großartige Pädagoginnen hätten wir selber gern in unserer Schulzeit gehabt!

Welche Pläne haben Sie für Europa – Meine Heimat? Meine Zukunft?

Als schulisches Angebot ist es eine großartige Gelegenheit, junge Menschen für die persönliche Auseinandersetzung mit Themen wie Heimat, Herkunft, Migration, Identität und Europa zu begeistern. In diesem Jahr realisieren wir das Projekt erneut mit dem Goethe- bzw. Eckener Gymnasium, wegen der extrem angespannten Corona-Situation sind neue Partnerschulen erst für 2022 vorgesehen. Die notwendigen Auswahlkriterien haben wir mit Hilfe der Deutschen Sparkasse aber schon im vergangenen Herbst entwickelt. Wenn die Pandemie erst vorbei ist, können wir das Erfolgsprojekt auch in neue Schulen bringen!